Realität
Das, was mir immer noch am meisten zu schaffen macht, ist die Gewissheit, die Wahrheit erkannt zu haben.
Diese Überzeugung, Jeder, der gut von den Menschen denke, habe noch nie die Augen geöffnet und die Realität gesehen.
Als sei eine Art farbverstärkende Augenbinde von meinem Gesicht entfernt worden, denke ich, dass ich die Welt jetzt so sehen würde, wie sie wirklich ist. Ungetrübt von jeglichen Eindrücken, Hoffnungen und Ängsten.
Menschen, die im psychischen Sinn gesund sind, sagen, dass gerade Depressionen den Blick der betroffenen Personen trüben würden.
Nun, das Gefühl, nichts zu fühlen, könnte die Trennung zwischen der Welt und dem Individuum schon passend darstellen.
Doch der angeblich getrübte Blick kann von Niemandem – und wirklich Niemandem – verstanden werden, der nicht selbst betroffen war.
Es ist schade, dass ich nicht in der Lage bin, meinen Standpunkt derartig wechseln zu können, als dass ich beurteilen könnte, ob mein Nihilismus und meine daraus resultierende Misanthropie durch das Ablegen oder Aufsetzen einer Brille geboren wurden.
Schluss mit den Worthülsen und langen Sätzen. Scheiß auf meinen pseudophilosophischen Ausguss. Niemand wird je sagen können, was die Wahrheit ist. Aber es tut verdammt nochmal höllisch weh, jeden Tag zu denken, dass man alleine mit dieser Weltsicht sei. Dass man jetzt, wo man einmal das wahre Wesen des Menschen erkannt habe, nicht mehr zurück könne.
Ich bin so fest davon überzeugt, dass mein Nihilismus begründet ist, und jeden einzelnen Tag sehe ich mich durch weitere Enttäuschungen bestätigt.
Für mich ist das Alles hier - alles was ich schreibe und denke, wie ich meinen Kopf durch ewiges nachdenken durchbrennen lasse, wie ich mir sicher bin, dass Alle 'gesunden' Menschen nur Angst davor haben, ihre eigene Bedeutungslosigkeit einzusehen, und mir deshalb einreden, dass ich damit falsch liegen würde, wie ich abschätzig über andere Menschen denke, wie ich mich selbst hasse und als mindestens genauso nutzlos und wertlos wie alle Anderen betrachte, wie ich darüber nachdenke mir das Leben zu nehmen, wie ich nach Irgendetwas in der Zukunft suche, an dem ich mich festhalten kann – das Alles ist meine Realität.
Das ist meine Wahrheit in der ich Lebe.
Das, was mir immer noch am meisten zu schaffen macht, ist die Gewissheit, die Wahrheit erkannt zu haben.