Die Stadt des Nichts
Auf der Suche nach den Ursachen für meine immer wiederkehrenden Reisen in das Reich des absoluten Nihilismus.
Auf dem Weg dorthin, der Weg ist gepflastert mit Bildern vergangener Tage, vergangener Leben und Momente. Neben mir fliegt ein Nachtfalter entlang und erzählt mir, meine Erwartungen an das Wesen des Menschen seien zu hoch, doch wenn ich davon ablassen würde, könnte ich umdrehen, noch bevor ich die Tore erreiche. Und leben.
Doch der Falter ist zu spät gekommen, seine Worte waren zu leise um die Reise zu diesem Zeitpunkt zu beeinflussen.
Vor den Toren; die Stadt ist gewachsen. Sie beherbergt nicht nur das Nichts, sondern noch etwas bedrohlicheres. Etwas, was viel realer ist, als die Gespenster die mir mit ausdruckslosen Gesichtern zuwinken. Eine Enttäuschung, ein Leiden, eine nicht zu bändigende Wut.
Ist es denn zu viel verlangt, Leiden zu minimieren?
Ist es zu viel verlangt, zu leben, ohne andere dafür sterben zu lassen?
Ist es zu viel verlangt, nicht ein Wegbereiter der Zerstörung zu sein?
Die Tore haben sich hinter mir geschlossen, schon sind sie nicht mehr zu sehen.
Hier ist es nicht dunkel, keine Farbe trübt meinen Blick.
Im Gegenteil.
Die Stadt des Nichts bedient sich dir. Sie nimmt dir alles was du bist.
Deine Hoffnungen. Deine Ängste. Deine Freunde. Deine Feinde.
Ohne sie bist du nichts, erst mit ihr wird dir klar, dass du nichts bist.
Doch auch mir kann die Stadt etwas zurückgeben, auch wenn sie Nichts ist.
Die Abwesenheit von jeglicher Menschlichkeit erlaubt es jedem Besucher der Stadt, den unterirdischen Elfenbeinturm zu betreten, der er verlangt sich seiner sterblichen Hülle zu entledigen.
Was sind wir ohne sie? Was können wir ohne sie sein?
Jedes mal, wenn ich aus der Stadt des Nichts in die Welt zurück kehre, die Tore hinter mir schließe, und in beruhigender wie auch trauriger Weise feststelle, dass ich bald zu ihr zurück kehren werde, bin ich reicher als bei meinem vorherigen Besuch.
Mit jedem Besuch werde ich weiser, erkenne immer besser, was der Mensch wirklich ist.
So schwermütig dein Besuch auch sein wird, so viel wird er dich lehren. Und auch du weißt, dass du ohne die Stadt des Nichts – ohne die Anwesenheit jeglicher Menschen – nicht mehr atmen könntest.
Da steh' ich jetzt, auf den Hügeln des Landes welches mir so fremd ist, und verstehe endlich, dass mein Leben nur durch meinen Tot lebenswert wird. Nicht im Sinne, dass ich meine Zeit nutzen wollen würde; doch ohne die Erkenntnis, dass es einen Ausweg aus dieser Hölle gibt, würde ich genau diesen augenblicklich wählen, ohne zu wissen, dass er überhaupt existiert.
Oh, was würden wir nur tun, könnten wir uns dieser Schande nicht auch nur für einige Sekunden entledigen, uns befreien von dem Wesen unsers Seins. Könnten wir überhaupt leben ohne zu sterben?